Die Französische Revolution als erster bedeutender Schritt zur „New World Order“

Im Jahr 1789 war das Volk in Frankreich müde, länger die Schindmähre seines Königs zu sein. Es erhob sich und berief Männer, denen es vertraute, und die Männer traten zusammen und sagten, ein König sei ein Mensch wie ein anderer auch, er sei nur der erste Diener im Staat, er müsse sich vor dem Volk verantworten und wenn er sein Amt schlecht verwalte, könne er zur Strafe gezogen werden. Dann erklärten sie die Rechte des Menschen: »Keiner erbst vor dem anderen mit der Geburt ein recht oder einen Titel, keiner erwirbt mit dem Eigentum ein Recht vor dem anderen. Die höchste Gewalt ist in dem Willen Aller oder der Mehrzahl. Dieser Wille ist das Gesetz, er tut sich kund durch die Landstände oder die Vertreter des Volks, sie werden von Allen gewählt und Jeder kann gewählt werden; diese Gewählten sprechen den Willen ihrer Wähler aus, und so entspricht der Wille der Mehrzahl unter ihnen dem Willen der Mehrzahl unter dem Volke; der König hat nur für die Ausübung der von ihnen erlassenen Gesetze zu sorgen.« Der König Schwur dieser Verfassung treu zu sein, er wurde aber meineidig an dem Volke und das Volk richtete ihn, wie es einem Verräter geziemt. Dann schafften die Franzosen die erbliche Königswürde ab und wählten frei eine neue Obrigkeit, wozu jedes Volk nach der Vernunft und der heiligen Schrift das Recht hat. Die Männer, die über die Vollziehung der Gesetze wachen sollten, wurden von der Versammlung der Volksvertreter ernannt, sie bildeten die neue Obrigkeit. So waren Regierung und Gesetzgeber vom Volk gewählt und Frankreich war ein Freistaat.

So konnten es die Bürger Darmstadts im Juli 1834 auf einem Flugblatt lesen, und so steht es im heutzutage vielfach editierten und oft im Schulunterricht und Seminaren der Germanistik behandelten Hessischen Landboten, einer Hetzschrift des in Deutschland als großer Schriftsteller verehrten – das literarische Talent möchte ich ihm nicht absprechen – Georg Büchner (1813-1837). War Büchner von dieser Version der Vorgänge in Frankreich ehrlich überzeugt und strebte nach dem Besten für sein Vaterland, oder war er ein Verschwörer und Aufrührer, der darauf hoffte, in Deutschland ebenfalls ein Blutbad zu veranstalten, welches erlaubt hätte, tausende „Volksfeinde“ zu entrechten, zu enteignen und umzubringen und das Volk mit dem Argument des Terrors von der Richtigkeit aller Maßnahmen zu überzeugen? War der junge Autor ein Idealist, der nicht wusste, dass die grundlegende Umgestaltung eines Staates, der nicht sowieso dem Kollaps nahe ist, nicht ohne rollende Köpfe, erbitterte Kämpfe und brutalste Maßnahmen gegen alle potentiellen „Konterrevolutionäre“ ablaufen kann?

Idealisierende Allegorie der Revolution von Eugène Delacroix

„Große Ideen“, politische und religiöse Heilslehren sind i.d.R. mit Skepsis zu betrachten. Von was darf man im Hinblick auf Rousseaus vollkommen abstrakten Gedanken einer „volonté générale“ sprechen, jener großen Idee, von der Robespierre, zumindest nach der offiziellen Version der Protagonist der Französischen Revolution, angab, geleitet zu sein? Von ihrem Wert, ihrer Problematik, ihrer Gefährlichkeit? Bereits bei theoretischer Betrachtung zeigen sich die ihr inhärenten Gefahren: Wie und wo manifestiert sich die „volonté générale“? Wer hat das Recht, sie zu definieren? Wenn es stimmt, dass, wie Rousseau schreibt, der moderne Mensch durch die Zivilisation der Natur entfremdet und pervertiert ist, kann sie dann durch basisdemokratische Wahlen ihren Ausdruck finden? Was soll mit Menschen geschehen, die sich der „volonté générale“ nicht beugen wollen bzw. diese nicht empfinden?

Im Falle der Französischen Revolution nahm eine Gruppe „Erleuchteter“ sich das Recht, diese Fragen zu beantworten. Vor allem Robespierre glaubte, die konkrete Entsprechung des „Allgemeinwillens“, eine Art „kategorischen Imperativ“ für Völker und Nationen, zu kennen und diesen zum Wohle der „Allgemeinheit“, aber, aufgrund besseren Wissens, auch gegen deren Widerstand mit Gewalt durchsetzen zu müssen. Für königstreue Bauern beispielsweise konnte es schmerzhaft wenn nicht gar tödlich sein, sich davon überzeugen zu lassen, dass die Monarchie nicht in ihrem Interesse lag. Feingeistigen Individualisten und leistungsstarken und erfindungsreichen Unternehmern musste zur Not mit Gewalt die Einsicht vermittelt werden, dass es besser für die Allgemeinheit war, wenn ihnen der Genuss der Früchte ihrer persönlichen Veranlagung und ihres Fleißes verwehrt bzw. abgenommen wurde. Obwohl die meisten Reichen, Adligen und Gelehrten angstvoll versuchten, sich als tugendhafte Menschen im Sinne der republikanischen Ideale zu zeigen, waren Robespierre und weitere Revolutionäre davon überzeugt, das Paradies auf Erden nur nach der Ausrottung aller Feinde der Revolution – und dies erstreckte sich auch auf potentielle und vermeintliche Feinde – errichten zu können. Das grundlegende Kriterium für Gut und Böse wurde die Gesinnung, und über die Gesinnung eines Menschen entschieden die Revolutionswächter.

Die Französische Revolution ist die Mutter aller modernen Revolutionen, und mit ihr beginnt ein bedeutendes Kapitel der Moderne: der Totalitarismus; geschichtliches Wissen über die damaligen Vorgänge ist für uns daher von grundlegender Wichtigkeit. Während „Terror“ und „Guillotine“ heutzutage durchaus am Rande erwähnt werden, wird die Französische Revolution als Ganzes jedoch i.d.R. als Ausgangspunkt einer modernen Heilsgeschichte dargestellt: Es soll uns glauben gemacht werden, dass mit ihr die moderne Demokratie ihren Siegeszug angetreten habe, dessen Endpunkt angeblich die Erlösung der Menschheit von Armut, Unterdrückung und Zwietracht sei. Für Zeitgenossen, die in unserer BRD an diesem Glauben zweifeln, kann es, wenn auch nicht in gleichem Maße wie 1789-1794, bereits recht ungemütlich werden.

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Im Folgenden wird dem Leser zunächst einiges Anschauungsmaterial zur Französischen Revolution geboten. Es stammt aus Friedrich Sieburgs (1893-1964) Biographie Robespierre, welche 1936 erschien und zusammen mit Napoleon und Chateaubriand eine Trilogie bildet. Sieburg war als Auslandskorrespondent für die Frankfurter Zeitung in Kopenhagen, Paris und London tätig, und er bereiste nahezu die gesamte Welt. Sein bekanntestes Buch dürfte Wie Gott in Frankreich? (1929) sein, welches nicht nur das Frankreichbild der Deutschen maßgeblich prägte, sondern auch in Frankreich auf reges Interesse stieß. Obwohl die Ausgabe von Robespierre, aus der ich zitiere (Verlag Kurt Desch, 1955) zu berichten weiß, dass der Autor bei Ausbruch des Krieges seine publizistische Tätigkeit bis 1948 einstellte, ist Sieburg heute in Ungnade bzw. Vergessenheit gefallen. An seinem prinzipiell positiven Frankreichbild dürfte es nicht liegen, sondern eher an seinem für die heutzutage korrekte Gesinnung zu positiven Deutschlandbild.

Maximilien Marie Isidore Robespierrre (1758-1794)

Sieburg zufolge wurde die Revolution maßgeblich durch das vorangehende Jahrhundert der Aufklärung möglich gemacht. ‚Moderne Ideen‘ waren in Mode und wurden auch in den Salons der Adligen lebhaft diskutiert. Ohne sich vorstellen zu können, was 1789 und in den Folgejahren passieren sollte, wurden die gebildeten Kreise geistig darauf vorbereitet, sich auf das Abenteuer der Veränderung einzulassen. Betrachtet man die französische Literatur von Voltaires literarischen Lehrstücken (am bekanntesten wohl Candide von 1759) über die „romans licencieux“ (frivole, erotische Romane) von Autoren wie Claude-Prosper Jolyot de Crébillon oder Pierre Choderlos de Laclos (Les liaisons dangereuses, 1782, verfilmt 1988 mit John Malkovich) bis zu Diderots spöttisch-philosophischen Romanen (Jacques le fataliste und Le Neveu de Rameau), so erhält man den Eindruck, dass eine unbekümmerte, enthemmte, spöttische Geisteshaltung vorlag, die es als unterhaltsam ansah, sich auf Wagnisse einzulassen. Die traditionelle Gesellschaft war geistig bereits unterminiert, da alles hinterfragt, kritisiert und bespöttelt wurde. Bitterernst hingegen meinte es Rousseau mit seiner Lehre vom „Gesellschaftsvertrag“ (Du Contrat Social, 1762). Er war der Heilige und Prophet jenes Mannes, der maßgeblich für die vollkommene Entgleisung der Revolution zu einer blutigen Terrorherrschaft war: Robespierre. Während die gebildeten Schichten (unter den Revolutionären waren das die nur in der Anfangsphase maßgeblichen Girondisten) die Revolution zunächst als ein intellektuelles Abenteuer wahrnahmen, rief das von ihm verkündete Evangelium bei den Unterschichten ganz andere Reaktionen hervor:

Mit dem Ruf nach Gleichheit entfesselte er in einer sich kräftig mit Selbstgefühl füllenden Schicht von Besitzlosen den Dämon des Neides: niemand soll herrschen, niemand soll oben sein. Die Jakobiner, welche verlangen, daß die Kirchtürme abgetragen werden sollen, weil sie „durch ihr Hervorragen über alle anderen Gebäude den Grundsatz der Gleichheit verletzen“, gehorchen nur seinem Ruf, wenn sie ihn auch mißverstehen. Dem Neid auf einen beweglicheren Geist, auf eine edlere Kopfform, auf überlegene Manieren und auf ein unerfaßbares Innenleben folgt der Neid auf die gute Kleidung, auf die behaglichen Lebensgewohnheiten und schließlich auf den größeren Besitz. Robespierre glaubt, daß man seinem Programm der Tugend zujubelt – er weiß nicht, daß der Beifall der von ihm eröffneten Möglichkeit gilt, den Reichen zu plündern, den Hervorragenden zu knechten und den Edlen zu demütigen (95).

Mit einer solchen Gesinnung und der Triebfeder des Hasses ist es zu Ausschreitungen und Massenmord nicht mehr weit. Hochgradig aufschlussreich ist dabei das Vorgehen, den Feind, den man vernichtet, gleichzeitig zum Satan zu stilisieren – ein Schicksal, welches die Deutschen nach der Reichsgründung 1871 mit den damaligen französischen Adligen teilen:

Die Aufstände der Bauern, die eigentlich nur die feudalen Rechtstitel des Herrn ins Feuer werfen wollen, aber dann doch gleich den Schloßbesitzer mitverbrennen, haben die Entstehung blutiger Legenden über die Grausamkeit der früheren Herrenklasse zur Folge. Es wird verbreitet und geglaubt, daß ein Marquis den Leib eines Bauern geöffnet habe, um seine von der Jagd wunden Füße in dem Blute zu heilen, daß adlige Bücherliebhaber ihren Lukrez in Menschenhaut einbinden lassen, daß umgekehrt die Sansculotten vom Henker die Herzen der hingerichteten Aristokratinnen erbitten, um sie bei ihren brüderlichen Festmählern geröstet zu verspeisen, daß die Königin eine Mine unter dem Sitzungssaal der von ihrem Gemahl einberufenen Gesetzgebenden Versammlung hat legen lassen oder daß die Adligen das Getreide ins Meer werfen, um das Volk auszuhungern (144f).

Sowieso geht jeder Maßstab verloren. Gerechtigkeit ist eine Kategorie, die nur noch vor dem Hintergrund der Lager eine Bedeutung hat:

Die Girondisten, diese geistvollen jungen Leute, zappeln im Netz: das haben sie nicht gewollt. Sie haben Revolution gemacht, um das Recht zu vermenschlichen, sie wollen den König nicht gelten lassen, aber sie wollen ihn auch nicht ermorden, sie wollen etwa nach dem Grundsatz handeln: „Ein König ist auch ein Mensch!“ Robespierre und Saint-Just sind viel großartiger, ehrlicher und auch klüger, für sie ist die Revolution das Ende der alten Duldungen, Nachlässigkeiten und Unverbindlichkeiten. Ein König ist keineswegs ein Mensch, und selbst wenn er einer wäre! Eine ungeheure Umwälzung des Wahrheitsbegriffes liegt hier vor. Wahr wird gleich staatlich und sittlich gleich politisch. Es kommt nicht darauf an, Recht zu sprechen, es gilt, politisch zu handeln. In der Verurteilung des Königs feiert die Gesinnungspolitik ihren ersten großen Triumph. Robespierre hält von nun an den Konvent an einem unzerreißbaren Seil, das täglich kürzer wird. Wer für den Tod gestimmt hat, ist ein aufrichtiger Republikaner, wer dagegen gestimmt hat, ist vom Feinde bezahlt. Es gibt kein Zurück mehr, die Volksvertretung ist durch eine Tat gebunden, die zur Blutschuld jedes einzelnen Mitglieds wird, sobald auch nur einer unter ihnen in den Grundsätzen des Terrors schwach wird. Durch Ludwigs Verurteilung wird die Grundlage für den Schrecken geschaffen, der noch im selben Jahr auf die Tagesordnung gesetzt wird (161).

Wenn man bereits so weit gegangen ist, heißt es Alles oder Nichts:

Die Revolution muss siegen; wenn sie unterliegt, wird diese neue Sittlichkeit zum Verbrechen, und alle, die sich ihrer bedient haben, werden zu blutigen Missetätern (162).

Der neue Götze duldet keine Götzen neben sich, neben der einen Wahrheit kann es keine andere geben:

Im Wohlfahrtsausschuß entgegnet man Grégoire, der die Rettung der französischen Bücherschätze vorschlägt, daß in der Republik nur noch ein Buch notwendig sei, „das Buch der Natur“. Das ist im Geiste Rousseaus geantwortet, denn es spielt auf die Überwachsung und Verwirrung des Allgemeinen Willens durch die Zivilisation an (163).

Das Gulagsystem wird geboren:

Wenn es ein anderes Mittel der Ausrottung als den Tod gibt, soll es ihm [Saint-Just] auch recht sein. In den Beratungen des Wohlfahrtsauschusses, die zum Dekret vom 26. Germinal führen, schlägt er vor: „Man muss die alte Welt ausrotten“, aber tödlicher als der Tod ist die Entrechtung. Er möchte, daß den Aristokraten die Bürgerrechte genommen und die Kugel ans Bein geschmiedet wird. Zu Füßen der freien Republikaner soll ein Helotenvolk ehemaliger Adliger, Priester, Reicher und Genießer wimmeln, welches Sträflingskleider und das unsichtbare Siegel der Schande tragen soll. Mit einem Wort, da die Welt kein Blut sehen kann, so wird eben der unblutige Terror erfunden, der sich damit begnügt, die Seele des Menschen zu töten, seine Würde und Freiheit zu vernichten (175f).

Louis-Antoine-Léon de Saint-Just (1767-1794)

Völlige Entrechtung des Gegners bzw. Aufgabe von Grundrechten überhaupt, wie folgendes Dekret Saint-Justs zeigt:

Das Eigentum der Patrioten ist unverletzbar und geheiligt. Die Güter der als Feinde der Revolution erkannten Personen werden zugunsten der Republik beschlagnahmt. Diese Personen werden bis zum Frieden in Haft gehalten und dann lebenslänglich verbannt (181).

Dies drückt sich auch im Justizwesen aus (falls man dieses noch derart bezeichnen kann), so z.B. im Verfahren gegen Danton:

Saint-Just ersteigt die Tribüne und erbittet ein Dekret, mit dessen Hilfe die Richter das Verfahren abkürzen und die „erschreckenden Stimmen“ ersticken können. Der junge Terrorist macht mit dem Konvent nicht viel Umstände, er droht ihm einfach: „Markiert den Abstand, der euch von dem Schuldigen trennt!“ Das Dekret, das sofort genehmigt wird, besagt, daß jeder, „der die nationale Justiz beleidigt oder ihr widersteht, auf der Stelle außer Verhandlung gesetzt wird“ (237).

Die Geisteshaltung des Totalitarismus – die BRD ist Erbin Robespierres und Saint-Justs:

Der Staat darf sich nicht damit begnügen, zu den Handlungen des Menschen da Stellung zu nehmen, wo sie die Republik betreffen, er muß den ganzen Menschen bei seinem Ursprung, in seinem Wesen erfassen. Die Aufgabe der Obrigkeit in der idealen Republik ist also weniger juristischer als pädagogischer Natur (191).

Und so sieht die Staatspädagogik nach den Vorstellungen Saint-Justs aus:

Das in „Handwerk und Krankheit“ verzettelte Volk muss mit Macht auf den Urzustand eines Bauernvolkes zurückgeführt werden (192).“ „Die Kinder gehören bis zum fünften Jahre ihrer Mutter und danach bis zu ihrem Tode der Republik. […] Alle Kinder behalten die gleiche Kleidung bis zum sechzehnten Jahr. Vom sechzehnten bis zum einundzwanzigsten Jahr tragen sie den Arbeiteranzug, dann bis zum fünfundzwanzigsten Jahr Uniform. […] Jeder Mann von einundzwanzig Jahren ist gehalten, im Tempel zu erklären, welches seine Freunde sind. Wenn ein Mann einen Freund aufgibt, ist er gehalten, die Gründe dafür vor dem Volke im Tempel darzulegen (193).

Wie man zum Volksfeind wird:

In den Listen dieser Gefängnisse stehen hinter dem Namen der Verhafteten stets die Gründe angegeben: „Hat in seinem Haushalt Tassen mit dem Bilde der Königin.“ – „Hat ein Gebetbuch mit eingepreßter Krone und Lilie.“ – „Glaubt nicht an die Wohltaten der Revolution.“ – „Geht nicht mit ordentlichen Leuten um.“ – Oder noch einfacher: „Ist Egoist.“ (206f).

Systematischer Massenmord, der unseren Staatspädagogen zufolge von den Nazis in aller Heimlichkeit begangen wurde, geschah in Paris auf offener Straße:

Sanson ruft die Opfer auf. Der erste steigt die Stufen zum Schafott hinauf, sein Umriß erscheint über den Köpfen der Menge. Stille breitet sich aus, die Zeitungsrufer schweigen, die republikanischen Rundgesänge, mit denen man sich die Zeit verkürzt hat, brechen ab, die Leute in der ersten Reihe nehmen die Hüte ab – nicht aus Ehrfurcht, sondern damit die anderen besser sehen können, die Schelle des Limonadenhändlers, die Ausrufe der Kuchenfrau sind verstummt. Das ist der Augenblick, den die Taschendiebe benutzen, um den Neugierigen ihre Uhren und Geldbörsen zu stehlen, denn jedermann saugt sich mit seinem Blick an dem Unglücklichen fest, der zum letzten Male das Licht der Welt sieht. Die Henker packen einen nach dem anderen, schnallen ihn auf das Brett, das in die Waagerechte wippt, die eisernen Halbmonde klappen um seinen Hals zusammen, eine winzige und wahnsinnige Sekunde lang sieht er mit entschwindendem Bewusstsein in den schrecklichen Sack hinab, in dem, mit Blut überströmt, mit aufgerissenen Mündern und weitgeöffneten Augen, die bereits abgeschnittenen Köpfe liegen – dann saust das schwere Messer hinab, „ein stählerner Wind“, und schon ist das Brett hochgewippt, der kopflose Körper abgeschnallt, in einen großen Korb geworfen, und während Sanson das dreieckige Messer wieder hochwindet, ergreifen seine Gehilfen den nächsten. Und aufs neue erschallen in rascher Folge die drei schweren Schläge, das Kippen des Brettes, das Zusammenklappen der eisernen Halbmonde, das Aufschlagen des Messers, drei schnelle Takte – der Tod (218f).

Auch die Provinz wurde nicht verschont:

Barras und Fréron, die in Marseille 250 Menschen hatten hinrichten lassen, waren dadurch für Toulon richtig eingespielt. Am 11. Dezember wurden 200 Einwohner und Matrosen, die ihnen mit Fahnen und Musik entgegengezogen waren, erschossen; am 20. kamen 18 Artillerieoffiziere an die Reihe, am 22. fielen 200 Einwohner unter den Kugeln der Hinrichtungsabteilungen, zwei Tage später 300. Dann begann die Guillotine ihr Werk, wobei das älteste Opfer der Schreckensherrschaft, ein Mann von 94 Jahren, geköpft wurde. Die Strecke der beiden Volksvertreter betrug insgesamt ungefähr 1000 Menschen. Fouché und Collot verstanden es noch besser, sie richteten mit Kanonen hin. Am 4. Dezember wurden auf der Ebene von Brotteaux 64 junge Leute, zu zweit aneinandergefesselt, vor den aufgeworfenen Massengräbern aufgestellt und mit Kartätschen zusammengeschossen. Die meisten lebten noch und wurden mit Säbelhieben umgebracht. Am folgenden Tag wurden 209 Menschen auf diese Weise hingerichtet, die Soldaten mußten nachher lange mit Säbeln, Beilen und Hacken auf das gräßliche Gebirge verstümmelter Leichen einschlagen. Einer der Gehilfen Fouchés, Achard, schrieb begeistert seinem Freunde Gravier: „Immer wieder und jeden Tag fallen Köpfe. Welche Wonne hättest du gekostet, wenn du vorgestern dieses nationale Gericht über 209 Verbrecher gesehen hättest! Welche Majestät! Welch imposanter Ton! Alles war erhebend. Wieviel große Halunken haben an diesem Tage auf dem Blachfeld von Brotteaux ins Gras gebissen! Welch ein Mörtel für die Republik!“ (228).

Robespierres Fazit:

Das französische Volk scheint dem übrigen Menschengeschlecht um zweitausend Jahre vorausgeilt zu sein, ja man ist versucht, es im Vergleich damit für eine andere Gattung zu halten (266)!

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Totenmaske Robespierres – Der Revolutionär wurde selber guillotiniert, nachdem er den Bogen überspannt hatte.

Nun stellt sich allerdings folgende Frage: Wurde die Französische Revolution vom französischen Volk initiiert und durchgeführt? Sieburg gibt Hinweise, die dies infrage stellen, ohne allerdings deutlich und bestimmt zu werden, sei dies, weil er nicht über das nötige Wissen verfügte oder weil er sich nicht kompromittieren wollte (man bedenke, dass er für seine Arbeit als Korrespondent auf gute Beziehungen im Ausland angewiesen war). So heißt es, dass Robespierre von seinem Charakter her ganz unfranzösisch war: kalt, unnahbar, autoritär, prinzipienfixiert, fanatisch – seinen Glauben an Rousseaus Heilslehre und die inquisitorische Unnachgiebigkeit, mit der er diese umzusetzen versuchte, bezeichnet der Biograph als fehlgeleitete Religiosität; auch Saint-Just und weitere Protagonisten der Revolution hatten anscheinend solche Charakterzüge. Ohne eine Antwort zu geben, wirft Sieburg zudem die Frage auf, ob das Terrorregime das Werk geheimer Zirkel und Verschwörer gewesen sein kann.

Der estnische Publizisten Jüri Lina (ein Abschnitt über die Sowjetunion aus seinem Buch Under the Sign oft he Scorpion erschien auf As der Schwerter bereits als Übersetzung) geht deutlich weiter. Ihm zufolge war die Revolution das Werk von Freimaurern, genauer gesagt den Illuminaten. Leider werden die meisten Menschen hier nicht mehr bereit sein, den Erklärungen zu folgen bzw. werden sie abschätzig oder ratlos mit den Schultern zucken. Dabei scheint es durchaus handfeste Beweise zu geben, ja offensichtlich hätte Alles sogar rechtzeitig verhindert werden können, wenn die Menschen damals nicht schon eine ähnliche Reaktion gezeigt hätten. Nachdem 1786 durch Aussteiger zwei Bücher über die zwölf Jahre zuvor gegründeten Illuminaten und ihre Pläne veröffentlicht worden waren („Drei merkwürdige Aussagen“ der Universitätsprofessoren Griinberg, Cosandey und Renner sowie „Grosse Absichten des Ordens der Illuminaten“ von Prof. Joseph Utzschneider) ließ der bayrische Kurfürst, der den Illuminaten-Orden in seinem Land aufgrund entsprechender Umtriebe bereits hatte verbieten lassen, zwei Bücher drucken (der bayrischen Polizei war es gelungen, einiger Dokumente habhaft zu werden): „Einige Originalschriften des Illuminaten-Ordens“ und „Nachtrag von weiteren Originalschriften“ (diese sind heutzutage im Internet einsehbar).

Diese Bücher wurden an die Regierungen in Paris, London und St. Petersburg gesendet, aber dort nicht ernstgenommen (bis es zu spät war) (Under the Sign…: 31).

Der Illuminaten-Orden wurde 1776 von Adam Weishaupt, einem jüdischen Universitätsprofessor in Ingolstadt gegründet. Lina zufolge hatte Weißhaupt ein System entwickelt, das nichts weniger als den Weg zur Weltherrschaft ermöglichen sollte. Neben dem Talmud hatte er sich durch die griechische und ägyptische Antike inspirieren lassen, was die Rolle von Symbolen wie der Pyramide und dem Auge erklärt. Zwei Faktoren waren maßgeblich für den Erfolg der Illuminaten: die Unterwanderung der Freimaurerlogen, über die eine ganze Reihe an bedeutenden Persönlichkeiten und mächtigen Adligen gewonnen bzw. instrumentalisiert werden konnte (viele protestantische Fürsten sahen Weishaupts Umtriebe als positiv an, weil sie gegen die Katholische Kirche gerichtet sind) und die Finanzierung durch den Gründer der Rothschild-Dynastie, Mayer Amschel Rothschild.

Lina zufolge waren die „französischen“ Revolutionäre durch die Bank weg jüdische Illuminaten und das französische Volk war nicht Nutznießer, sondern Leidtragender ihrer Terrorherrschaft. Die angebliche Not und die Unmenschlichkeit des Adels seien Legenden bzw. gezielte Manipulation der Geschichte.

Rothschilds wichtigster Lakai, Weishaupt, wurde ebenfalls mit unbegrenzter Liquidität nach Paris geschickt, um fähige Männer zu bestechen, eine Revolte zu entfachen und den König abzusetzen. Auf dem Freimaurertreffen im Februar 1785 wurde ein geheimes Komitee gebildet, um die revolutionären Aktivitäten zu koordinieren. […] Weishaupt spielte stets eine Führungsrolle bei den Treffen der Illuminaten in Paris. Er holte tausende Mörder in die Stadt. Zahlreiche Verleumdungen gegen Marie Antoinette begannen, zu zirkulieren (vgl. Svenska Dagebladet vom 27.09.1987). Dann wurden Flugblätter verbreitet, um die Bevölkerung zur Revolte anzustacheln. […] Marie Antoinette wurde zu einem Symbol der Bosheit des Königtums (44).

Sobald die „Revolution“ begonnen hatte, konnte man erkennen, wer ihre wahren Nutznießer waren:

Jüdische „Revolutionäre“ sorgten dafür, dass die Juden unverzüglich volle Bürgerrechte erhielten und dadurch handlungsfähig wurden. Maximilien Marie Isidore Robespierre (1758-1794) veröffentlichte bereits 1789 ein Werk mit dem Titel „Zum Schutz der politischen Rechte der Juden“. Ganz offensichtlich war der Schutz jüdischer Rechte die erste Priorität. Louis Joseph Marchand, ein Freund Napoleon Bonapartes, schrieb 1895 [sic], dass Robespierre in Wirklichkeit ein elsässischer Jude namens Ruban war (In Napoleon’s Shadow, San Francisco: 1998) (51).

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Selbst viele aufgeschlossene, national gesinnte und überdurchschnittlich kritische Menschen schrecken davor zurück, sich ernsthaft mit dem Thema des Illuminaten-Ordens auseinanderzusetzen. Hochgradig denkwürdig ist dabei, dass inzwischen allem Anschein nach das von Weishaupt formulierte, aus fünf Punkten bestehende Programm bereits weitgehend umgesetzt ist:

1. Unterdrückung aller Religionen, sowie aller Glaubenssysteme und Ideologien, die nicht zu Werkzeugen des Illuminatentums gemacht werden können.

2. Unterdrückung aller Nationalgefühle und – als langfristiges Ziel – die Abschaffung aller Nationen und die Errichtung eines Illuminaten-Weltstaats.

3. Sukzessive Übereignung allen privaten und staatlichen Besitzes in die Hände der Illuminaten.

Die Methoden, die zu diesem Ziel führen sollten, waren neue, von Illuminaten-Beamten eingeführte Steuergesetze. Weishaupts Originalpläne beinhalteten eine progressive Einkommenssteuer (dies ist also keine neue Erfindung!) und eine noch tiefgreifendere Erbschaftssteuer. Karl Marx verlangt in seinem „Kommunistischen Manifest“ ebenfalls eine hohe, progressive Einkommenssteuer. Ziel ist die Schwächung der Gesellschaft.

4. Ein allesumfassendes Spionage- und Denunzierungssystem mit den „andeutungsvollen Brüdern“ [eine Art Geheimpolizei des Illuminaten-Ordens] als Vorbild. Das entsprechende Symbol ist das Alles-sehende-Auge, ein Auge mit einer Pyramide, welche das Symbol der Macht der Illuminaten ist.

Und schließlich:

5. Eine weltweit einheitliche moralische Ordnung, eine vollständige Vereinheitlichung der innersten Wünsche und Bestrebungen der Menschen unter „den einen Willen“, den Willen der Illuminaten (37f).

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